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1992: Als Joseph Castleman (Jonathan Pryce) von der Nobelakademie mitgeteilt bekommt, dass er den Literaturnobelpreis erhalten wird, freut er sich zunächst mit seiner Frau Joan (Glenn Close) über diese Ehre. Doch auch wenn Joan es nicht zeigen will, in ihr, die für ihren Mann zurückgesteckt hat, brodelt es gewaltig. Der Journalist Nathaniel Bone (Christian Slater) versucht für seine Biographie die Abgründe der Ehe herauszukitzeln.

Kritik

Während viele Filme auf visuelle Schauwerte oder spektakuläre Bilder setzen ist „Die Frau des Nobelpreisträgers“ ein auf dieser Ebene schlichter Film ohne, dass es stört. Stattdessen setzt Regisseur Björn Runge voll auf sein Schauspielensemble und inszeniert den Film derart zurückhaltend, wie sich Joan Castleman selbst sieht. Glenn Close verdient für diese Darstellung jeden Filmpreis den es gibt. Ein solch feines, nuanciertes Spiel mit subtiler Mimik habe ich selten gesehen. In jeder Aufnahme sieht man mehr als einen Ausdruck, den ihre Mimik verrät. Sei es Angst, Wut, Verzweiflung oder Schüchternheit. Immer werden mindestens zwei Gefühlslagen von Close hervorgetragen. Es ist keine Feuerwerkperformance, wie jene von Frances McDormand im letzten Jahr, sondern eine intime Kostprobe einer Großschauspielerin. Close zeigt Joan sowohl schüchtern als auch geheimnisvoll ohne dick aufzutragen, eine natürliche Performance. Daneben wirkt Jonathan Pryce mit seinem konventionelleren Ansatz als perfekter Gegensatz. Pryce zeigt dennoch Joe als genauso selbstgefälligen wie selbstzweifelnden Ehemann, der auch im hohen Alter noch jungen Damen unter den Rock schaut. Joans Wut wird mit zunehmender Dauer des Films immer deutlicher. Ebenso überraschend gut sind Christian Slater als bohrender Journalist, eine einprägsame Performance, obwohl er nur eine handvoll Szenen hat sowie Max Irons als Joe und Joans Sohn David, der um die Anerkennung seines Vaters buhlt.

Daneben fand ich die Dialoge hervorragend geschrieben, wodurch das sich anbahnende Drama hervorragend vorbereitet wurde. Selbst die Rückblenden, die das Kennenlernen des Ehepaars zeigen, haben mich nicht gestört und sind gekonnt in die Geschichte eingebettet. Der Film entspricht dem Zeitgeist und kann auch im Zeichen der me-too Debatte. Wieso lässt sich Joan in den Schatten stellen und gibt ihr literarisches Talent auf? Wieso verzeiht sie ihrem Mann all seine Affären? Wieso ist sie dermaßen abhängig von ihm? Langsam werden diese Fragen seziert, bis am Ende eine gescheiterte Ehe zum Vorschein kommt, die nur durch einen bestimmten Umstand überhaupt halten konnte, ohne zu implodieren. Erst die Nobelpreisverleihung lässt Joan ihre unterdrückte Wut zeigen.

Der Film hat einen herausragenden Twist, den ich aber schon nach zehn Minuten durchschaut habe, weswegen ich den Film anders gesehen habe als viele andere Kinozuschauer (im ordentlich gefüllten Saal im Programmkino). Diese Vorhersehbarkeit des Twists ist einer der wenigen leicht negativen Aspekte in einem intimen Drama, das durch seine zurückgenommene Erzählung besticht. Erstaunlicherweise gab es einige sehr komische Momente, bei denen ich lachen musste. Meine Lieblingsszenen waren jedoch die Anfangssequenz, die eine ganze Menge über das Ehepaar verrät sowie die Szene in der Joan und Nathaniel in einer Bar sitzen, da diese Szene ein exzellenter stiller Beweis für die Klasse von Glenn Close ist. Daneben ist mir auch das Ende des Films positiv ins Auge gefallen.

Fazit

„Die Frau des Nobelpreisträgers“ hat neben einem starken Auftakt und einem würdigem Finale eine Menge zu bieten. Das vergleichsweise kurze Drama (101 min) besticht durch einer mehr als herausragenden Performance der Altmeisterin Glenn Close, die mit einem feinem, subtilem Spiel ganz große Schauspielkunst bietet. Doch auch das Drehbuch und die weiteren Darsteller haben eine Menge zu bieten. Einzig die Vorhersehbarkeit des Twists sorgt für geringe Abzüge. 9/10

Anmerkung: Der Trailer verrät in meinen Augen zu viel des Films, dennoch verlinke ich ihn unten…

 

8 Kommentare zu „Die Frau des Nobelpreisträgers

  1. Das klingt nach einem sehr interessanten Filmtipp! 🙂
    Ich musste gerade erstmal googeln, ob die Namen die echten sind, aber 1992 gewann jemand anderes den Literaturnobelpreis 😂
    Du solltest übrigens mal wieder die Blog-Mailadresse checken, ich habe mich wieder mal ausgetobt 😀

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  2. Hat der Film nun in Deinen Augen einen herausragenden oder einen vorhersehbaren Twist? Wenn man natürlich weiß, dass der Film eine entscheidende Wendung hat, kann man sie erahnen. Wir wusste es damals nicht, ich selber versuche vor einem Film immer so wenig wie möglich über ihn zu lesen und in meinen Beiträgen auch selbst nichts zu spoilern. Manchmal ist es aber auch nicht einfach.

    Ja, verdient hat Glenn Close den Oscar auf jeden Fall. Es ist auch nicht nur ein Karriere-Oscar. Bei Olivia Colman wäre es auch verdient, die Academy würde sich aber komplett lächerlich machen, wenn sie anstelle der beiden eine Lady Gaga auf die Bühne holt.

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    1. Ganz ehrlich: Ich finde ihn herausragend, aber auch vorhersehbar. Es gibt Twists die Leben davon, dass sie unvorhersehbar sind (Ende von Sieben, The Usual Suspects, Fight Club, Widows) und welche die eigentlich logisch sind, jedoch normalerweise nicht gesehen werden (Shutter Island, The Sixth Sense). Ich würde den in die zweite Kategorie setzen, der Film wäre ohne den Twist komplett anders und auch etwas schlechter.
      Ich möchte anmerken, ich hab den furchtbaren Trailer erst gesehen, als ich ihn für die Kritik herausgesucht habe und habe den Twist nicht gewusst sondern nur anhand des Geschehens geahnt.

      The Favorite läuft nächste Woche an, ich hoffe, dass der richtig gut ist. Aber wenn Lady GaGa den Schauspieleroscar gewinnt falle ich vom Glauben ab

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      1. Langsam erahne ich ja Deinen Filmgeschmack.:) Ich bin fast sicher, dass Du mit „The Favourite“ nichts anzufangen weisst, dafür wird Dir „Green Book“ aber sehr gefallen. Ist ja auch irgendwo mit „Ziemlich beste Freunde“ vergleichbar (den ich übrigens auch eher grausig fand).

        Noch lächerlicher könnte sich A.M.P.A.S.
        nur machen, wenn sie „Bohemian Rhapsody“ als besten Film auszeichnet. :))

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        1. Die einzige Sorge, die ich bei The Favorite habe, ist dass der eigentlich keine richtige Story erzählt, sondern nur eine Aneinanderreihung grotesker Szenen ist. Bei Green Book bin ich mir auch sicher, nachdem er von dir immerhin ein B- bekommen hat, dass er mir gefallen wird. Aktuell habe ich die Qual der Wahl, während in ein paar Wochen Ebbe im Kino herrscht…

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            1. Dann glaube ich, dass The Favorite mir gefallen wird. Den und Green Book gucke ich auf jeden Fall. Bei Glass, Maria Stuart, Der Spitzenkandidat, Ben is Back und Beautiful Boy kommt es auch darauf an, ob die Vorstellungen mir zeitlich zu pass kommen.

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