Es ist wieder die Vor-ESC Saison in der in Fanforen rauf und runter spekuliert wird, über die Songs gefachsimpelt wird. Von daher wird es auch wieder Zeit dem Eurovision Song Contest oder dem Grand Prix de Eurovision de la Chanson ein wenig Raum auf den Blog zu gewähren. Wie geht das besser als mit dem Lieblingsobjekt vieler ESC-Fans, den Toplisten? Zum Start direkt die meiner Meinung nach besten ESC Gewinner aller Zeiten. Von Rekordsieger Irland hat es gerade so ein Titel in die Liste geschafft, von den inzwischen sechs schwedischen Siegen dafür ganze fünf. Weder Lena noch Nicole werden in der Liste zu finden sein und auch Österreichs Siegertitel von Udo Jürgens und Conchita Wurst haben es nicht geschafft, die Schweiz hingegen ist genauso wie die mir deutlich näher liegenden Benelux-Staaten jeweils einmal vertreten und bevor das Rätselraten, welche Länder die andere Hälfte der Songs stellen, beginnt, geht es direkt mit den Top 20 los:

20. Eimear Quinn – The Voice (Irland 1996)

In den Neunzigern war Irland zeitweise unschlagbar und das trotz oder gerade wegen unfassbar eingerosteter Beiträge. 1996 platze dann insbesondere den deutschen Verantwortlichen der Kragen (der singende Frisör Leon wurde in einer Vorauswahl ausgesiebt, während am Abend ein paar Lieder vorgeführt wurden, die als Foltermethoden anerkannt werden sollten). Eimear Quinn holte den vierten irischen Sieg innerhalb von fünf Jahren und auch wenn das keltisch-mystisch angehauchte „The Voice“ wunderschön ist, alleine aufgrund des missratenen LIVE-Gesangs (welcher auf eine Erkältung zurückzuführen war) hätte der Song niemals gewinnen dürfen, sahen die damals allein entscheidenden Jurys jedoch anders. Im Folgejahr führten Deutschland, Großbritannien und Schweden zum ersten Mal das Televoting zur Ermittlung der Wertung durch. Schon 1998 später wurde das Televoting Pflicht. (Hätte es das 1996 gegeben hätte Gina G. mit ihrem Eurodanceknaller „Ooh aah Just a little bit“ vollkommen zurecht gewonnen).

Eimear Quinns gehemmter Auftritt 1996

19. Sandra Kim – J´aime La Vie (Belgien 1986)

Je angestaubter der Grand Prix wurde, desto mehr Kinder wurden auf die große Bühne geschleppt. Das ganze ging so weit, dass die EBU sich gezwungen sah Jugendliche unter sechzehn Jahre vom Grand Prix auszuschließen. Grund dafür war der Siegersong 1986: Belgien sendete die dreizehnjährige Sandra Kim, die sich als fünfzehnjährige ausgab. 1989 wurden von Frankreich und Israel noch jüngere Kinder gesendet, was die Regel ab 1990 fixierte. Kims irgendwo zwischen Melancholie und Euphorie schwankender Popschlager stach jedoch aus dem Feld der Eurovisionschansons heraus, weswegen sie Überdeutlich gewann. Alle Länder außer Deutschland, die für Kim nur einen Punkt übrig hatte, gaben mindestens fünf Punkte an Kim, die überwältigende Mehrheit sogar mindestens acht Punkte. Den Titel jüngste ESC-Siegerin aller Zeiten wird Kim für immer behalten.

Am Abend selbst wäre sie auch als siebzehnjährige durchgegangen: Sandra Kim

18. Bucks Fizz – Making Your Mind Up (UK 1981)

Extra für den Grand Prix gegründet mit einem Song ausgestattet, der zumindest im Intro genauso auch als Langnesewerbespot dienen könnte, enterten Bucks Fizz den Eurovision Song Contest. Auch wenn „Making Your Mind Up“ damals verglichen mit der sonstigen Popwelt unfassbar antiquiert wirkte, konnte sich diese temporeiche synthesizierung des Beach Boys Sound beim Grand Prix durchsetzen, wofür es schon fast zu frisch-frech wirkte. Als einziges Land konnten Bucks Fizz von jeder Jury Punkte absahnen und sich knapp vor der deutschen Lena Valaitis mit einem der wenigen gut hörbaren Siegel-Meinunger Schlager „Johnny Blue“ durchsetzen. Bucks Fizz war es dann auch noch vergönnt kommerziellen Erfolg zu haben, der sich auch auf den Nachfolger „The Land of Make Believe“ ausweitete, der das Kunststück vollbrachte sowohl moderner als auch Grand Prix geeigneter als der Siegertitel zu klingen.

Trotz seltsamer Tanzmoves vorne: Bucks Fizz

17. Brotherhood of Man – Save Your Kisses For Me (UK 1976)

Solltet ihr in einem Kneipenquiz die Frage gestellt bekommen, welches das kommerziell erfolgreichste Siegerlied aller Zeiten beim ESC war, fallt nicht in die Falle und antwortet reflexartig mit Abbas „Waterloo“ sondern antwortet lässig „Save Your Kisses For Me“ von Brotherhood of Man. Jene Band über die Ralph Siegel sagte „die waren so schrecklich puppenhaft, wie Marionetten“, wissen wir also woher Siegel seine Inspiration für seine seltsamen Gruppen nahm. Wenn Ralph Siegel etwas nicht mag, dann kann es ja nur gut sein und so ist es auch, denn hinter dem etwas sperrigen Titel verbirgt sich ein Gute Laune Popsong, der genau jene Lücke belegte, die für die eher Konservativen Hörer/-innen neben revolutionären Punk, groovigem Disco, shuffeligen Glam neben Abbas Popdominanz offen war. Im Gegensatz zu schwedischen Vorbildern konnten die vier jedoch keine Weltkarriere starten, im UK folgten immerhin zwei Nummer Eins Hits.

Cheezynesslevel: Unbezahlbar, Brotherhood of Man

16. Sandie Shaw – Puppet on a String (UK 1967)

Der dritte und letzte Siegertitel aus dem Vereinigten Königreich auf dieser Liste (Ja, auch Katrina & The Waves haben es knapp nicht geschafft und Gina G hatte dank Juryvoting keine Chance) und jener der sich am ehesten als solider, stark gemachter Pop am Puls der Zeit bezeichnen lässt. Getragen von einer lebhaften Performance Shaws konnte das zu einer Zeit als das als gewagter Grand Prix Beitrag gesehen wurde, die Jurys derart überzeugen, dass ein Erdrutschsieg folgte, weit bevor Abba den Wettbewerb den Wettbewerb gewinnen konnten. Dementsprechend folgerichtig wurde „Puppet on a String“ zu einem der erfolgreichsten und bekanntesten ESC-Siegertitel. In Deutschland war nie wieder ein ESC-Siegertitel erfolgreicher in den Charts.

Ohrwurmgarantie auch in Schwarz-Weiß von Sandie Shaw

15. Loreen – Euphoria (Schweden 2012)

Selten war ein Sieg im Vorhinein so eine klare Sache. Vielleicht kam hinzu, dass in der ESC Bubble schon im Vorjahr der schwedisch Europopstompfer „Popular“ als Sieger beliebter gewesen wäre, aber sowohl am eigenwilligen Auftritt als auch an der gesanglichen Leistung als auch am Arrangement dieses Dancefloorfillers stimmte 2012 alles. In einem Jahrgang, wo singende Omis Platz Zwei belegen konnten, stach die Nummer aufgrund ihrer hochwertigen Produktionsqualität heraus. Der eigenwillige Tanz konnte „Euphoria“ vor jener sterilen Plastikpopfalle retten, in die vor allem 2018 Benjamin Ingrosso tappte.

Wilder Tanz, die 17 erwies sich für Loreen als Glückszahl

14. France Gall – Poupee de Cire, Poupee de Son (Luxemburg 1965)

Ein wichtiger Schritt vom verschlafenen Event alternder Chansonliebhaber hin zu dem Wettbewerb in dem Abba durchstarten konnten leistete der luxemburgische ESC Sieger 1965. Bis auf die Tatsache, dass der Beitrag von RTL entsandt wurde, ist hier dran nichts aus Luxemburg, aber das kann man den Bankenstaat leicht verziehen. Die damals siebzehnjährige Französin trug den frech-frivolen Song mit genau jener jugendlichen Naivität vor, die sich der Skandalbarde und Mastermind Serge Gainsbourg (der, der den Skandalhit „Je T´aime“ hatte) für seine mehr oder minder offensichtliche Ode an die sexuelle Stimulierung vorstellte. Gall verstand erst später die Intention und weigerte sich seitdem das Lied zu singen. Obwohl Gall bei weitem nicht über das Stimmvermögen verfügte, welches sie später auszeichnen sollte und bis dato nur getragene Balladen den Wettbewerb gewinnen konnten, setzte sich „Poupee de Cire, Poupee de Son“ für damalige Verhältnisse deutlich durch. Aus Gainsbourgs Heimat Frankreich gab es jedoch keinen einzigen Punkt.

Mit der richtigen Prise Naivität vorgetragener Aufreger: France Galls Siegertitel

13. Dana International – Diva (Israel 1998)

Im letzten Jahr der „Own-Language-Rule“ sollte es überraschenderweise doch noch dazu kommen, dass ein nicht englischsprachiges Lied, welches auch einen vollumfänglichen Liedtext hat, gewinnt. Der Grund liegt auf der Hand, das Televoting setzte sich durch. Die Anrufer setzen die Malteserin Chiara mit ihrem „Angel“ wohl aus Macht der Gewohnheit auf Platz Drei (mit den Jurys hätte sie sicher gewonnen) und den letzten modernen britischen Beitrag auf Platz Zwei. Auf Platz Eins landete Dana International, stimmliche Unsicherheiten gekonnt durch den Chor überdeckend und Unsicherheiten beim Publikum auslösend, war doch unlängst bekannt, dass die „Diva“-Interpretin als Mann geboren wurde. Hätte man es nicht gewusst, man hätte es nicht geahnt, aber der Sieg wäre auch woanders hin gegangen, denn der Discoschlager allein hätte für den Sieg wohl nicht gereicht.

Stimmliche Schwächen werden gekonnt bei Dana International ausgeglichen

12. Marija Seferovic – Molitva (Serbien 2007)

Das reine Televoting zeigte schon bald groteske Auswüchse. Nach dem jahrelang Balladen höchstens am Sieg schnuppern sollten, gewann in Helsinki eine Sängerin, die weit entfernt von den inzwischen etablierten Konventionen des Contests stand und ihr Klagelied „Molitva“, die vielleicht schönste Balkanballade, die der ESC zu hören bekam, mit einer Stimmgewalt interpretierte, dass es scharen dazu brachte für sie anzurufen und den Sieg zu sichern. Damit verhinderte sie den Sieg der legendären Verka Serduchka und eventuell die endgültige Übernahme der Spaßbeiträge, die in den Jahren immer näher an den Sieg gerückt waren. Auch ohne diese historische Note ist „Molitva“ ein hochverdienter Sieger, der aus der Masse an Siegersongs heraussticht.

Wunderschön vorgetragenes Klagelied von Marija Sefirovic

11. Duncan Lawrence – Arcade (Niederlande 2019)

Es war nicht die Liebe auf den ersten Blick zwischen Duncan Lawrences Song und mir. Nach dem ersten Hören („Arcade“ schoss gerade auf Platz Eins der Wettquoten) war ich konsterniert. Vielleicht lag es an meiner Borniertheit, aber erst beim zweiten hören wurde ich mit „Arcade“ warm, aber dann übermannte mich der Song. Ganz tief in mir löste der Song jene Sehnsucht aus, die im Song nur angedeutet wird. Textlich hervorragend die Allegorie des (Glücks-)Spiels, die nicht nur im Titel zum tragen kommt. Musikalisch hervorragend wie zurückgenommen der Song funktioniert. Performancetechnisch hervorragend wie man das maritime Motiv des Videos in den LIVE-Auftritt einfangen konnte. Haarscharf an den Top Ten vorbei und das womöglich auch nur, weil das Publikum im Televote eine theoretisch noch bessere Wahl getroffen hat.

Gefühlvoll am Klavier: Duncan Lawrence

10. Toto Cutogno – Insieme 1992 (Italien 1990)

Der eiserne Vorhang begann zu fallen, die Europäische Union wurde zu dem, wofür sie heute steht. Die Euphorie des Moments half sicherlich Toto Cutognos Hymne „Insieme 1992“ (dt. Übersetzung: „Miteinander 1992“, eine Anspielung auf den folgenden Vertrag von Maastricht) zum Sieger des Contests in Zagreb zu werden. „Insieme“ (der ausgewiesene Lieblingseurovisionstitel von Edelfan und Humorbombe Hape Kerkeling) wirkt wie die Essenz jener Italo-Schlager, die in den Achtzigern das Gegengewicht der Italo-Disco, welche sich als prägendstes Genre der 80er herausstellen sollte, bildeten. Währenddessen wundert man sich, dass Italien den Grand Prix nur zweimal gewinnen konnte, obwohl man massig hochkarätige Beiträge entsendete. Die Kraft von „Insieme“ bleibt jedoch einmalig.

Sollte die Hymne der EU sein: Toto Cutognos „Insieme 1992“

9. Lordi – Hard Rock Hallejujah (Finnland 2006)

Finnland, das chronisch erfolglose Land der tausend Seen sendete 2006 die Hardrockformation Lordi und schockte die ESC-Welt. Das Auftreten in den Masken schockte weit mehr als ihr Song, der im Grunde genommen nichts anderes war als ein Schlager Interpretiert von einer Hardrockband. Damit schafften Lordi den Spagat die Rocker einmalig zum ESC zu locken, aber auch genau Zuschauer aus der Stammfangruppe zum Anruf zu bewegen. Es kam wie es kommen musste, Lordi gewann und jene Gruppen die schon die Revolution der Neunziger verhindern wollte sah die Angst vor der Verrohung des Wettbewerbs, die kulturelle Relevanz sei gefährdet. Die Diskussion um die Wiedereinführung der Jurys als korrektiv nahm an Fahrt auf.

Für den Grand Prix Michel ein Schock: Lordi

8. Charlotte Nilsson – Take Me To Your Heaven (Schweden 1999)

Charlotte Nilsson, heute bekannt als Charlotte Pirelli pardon Perelli startete 1999 eine Charmeoffensive bei den ESC-Reportern, die dementsprechend wohlwollend über ihren Abbaesken Schwedenschlager „Take Me To Your Heaven“ berichteten und die Zuschauer zum anrufen ermutigten. Selbst der grummig-sarkastische britische Reporter Terry Wogan, der in der Regel alles was nicht aus UK oder Irland kam als schlecht brandmarkte, hatte nur lobende Worte für die Schwedin übrig. Die deutschen Anrufer hatten jedoch kaum Liebe für das Ein-Frau Abbarevival übrig und gaben nur zwei Punkte, völlig unverständlich. Nilsson beendete esctechnisch mit ihrem Retroschwedenschlager das 20. Jahrhundert und machte von der „Free-Language-Rule“ Gebrauch und sang den Song im Gegensatz zum Melodifestivalenauftritt auf Englisch.

In allen Belangen schwedisch: Charlotte Nilssons ESC Auftritt

7. Elena Paparizou – My Number One (Griechenland 2005)

Ungeübte Ohren werden bei einem Schnelldurchlauf der ESC-Winnersongs feststellen, dass zwischen 2003 und 2005 drei Mal in Folge der selbe Song gewonnen habe. So weit ging das natürlich nicht, aber die Genrekonventionen des Ethno-Dance-Pop folgten sowohl Sertab Erener als auch Ruslana und die Griechin (H)Elena Paparizou. Paparizous an Arroganz grenzendes Auftreten bei der Performance sicherte jedoch neben der besten Gesangsstimme sowie dem stimmigeren Arrangement entscheidenden Vorsprung gegenüber den Vorgängerinnen. Was man damals noch nicht wissen sollte, der Ethno-Dance-Pop hat was Siege angeht beim ESC ausgedient, spätestens seit Eleni Foureiras „Fuego“ (für das ursprünglich Paparizou angefragt wurde) wird jedoch der Versuch ernsthaft unternommen eine neue Ethno-Dance-Siegerphase einzuläuten.

Das Selbstbewusstsein einer Siegerin: Elena Paparizou

6. Emmelie de Forest – Only Teardrops (Dänemark 2013)

Eines meiner persönlichen Lieblingsescländer (und eigentlich auch sonst eines meiner Lieblingsländer) konnte drei Mal den ESC gewinnen und doch nur einen Song in dieser höchst subjektiven Top Zwanzig platzieren. Emmelie de Forest Performance des balladesken Midtempotrommelpopsongs „Only Teardrops“ hatte mich schon im Halbfinale derart verzaubert, dass ich absolut sicher war, dass ihr gegenüber kein Kraut gewachsen sein dürfte. Die Mischung aus Lenas Unbekümmertheit, Loreens Barfußperformance und den omnipräsenten Trommeln sicherte einen verdienten Sieg auch wenn der beste (und auch modernste) Song des Abends aus Norwegen kam. Dementsprechend konnte de Forest auch in den Top Ten einiger europäischer Länder charten.

Alles passte am Auftritt zu Emmelie de Forests „Only Teardrops“

5. Carola – Fangad av en Stormvind (Schweden 1991)

Anhand der Carolafrage kann man einen ESC-Fan in zwei Kategorien ordnen, diejenigen die gut gemachte Popmusik bevorzugen oder diejenigen, die künstlerisch angehauchte Performances bevorzugen. Eine solche wurde in Form der Französin Amina punktgleich Zweite, während Carola aufgrund der höheren Anzahl an Zehn-Punkt-Wertungen (die Zwölf-Punkt-Wertungen waren gleichauf) Schwedens dritten ESC-Erfolg eintüten konnte. Jetzt wird der ein oder die andere aufschreien, dass man eine so vor Diversität sprühende Fangemeinde nicht einfach in zwei Lager ordnen kann. Es funktioniert erstaunlich gut, wahrscheinlich bei 83%. Neben dieser Streitfrage hat Carola die mit dem ESC assoziierte Windmaschine den größten Popularitätsschub gegeben und ihr Song ist ein fantastischer Schwedenschlager.

Mithilfe von Tänzern und der Windmaschine an die Spitze getrieben: Carola im Jahr 1991

4. Bobbysocks – La det Swinge (Norwegen 1985)

Alle Jahre wieder tummeln sich Replikate der Bobbysocks in nationalen Vorentscheiden (zuletzt in Estland aufgetreten als Suured tüdrukud) zum ESC. Kein Wunder gehören die beiden energetischen Damen doch zu den bis heute beliebtesten ESC-Gewinnern. Ehrlicherweise muss man sagen, dass ihr Song auch nichts anderes als eine mit Swingelementen aufgepeppte Variation von Abbas „Waterloo“ darstellt. Da Schweden jedoch selbst ähnliche Mittel angewendet hat (siehe Platz Acht) sollte man das den sympathischen Damen aus dem eurovisionsliebenden aber bis dahin chronisch erfolglosen Norwegen verzeihen. Ihre Lebensfreude, die sie durch ihren Auftritt verbreiten ist aber auch dermaßen ansteckend, dass ihr Siegersong im Gegensatz zu anderen Titeln des Jahrzehnts zumindest einen kleinen kommerziellen Erfolg feiern konnte. Nur in der BRD fühlte man sich um einen möglichen Sieg betrogen, kamen die für damalige Verhältnisse satten achtzehn Punkte Vorsprung aus den Wertungen der Schweiz und Österreich, welche Winds „Für alle“ keinen Punkt gaben.

Oft kopiert nie erreicht, der Auftritt der Bobbysocks

3. Mans Zelmerlow – Heroes (Schweden 2015)

Schweden zum Vierten, ja auch Mans Zelmerlow schafft es spielerisch in diese Topliste auch wenn seinem Sieg ein paar Makel anlasten, wie die Tatsache dass die Televoter vollkommen unverständlicherweise italienische Popera vorne sehen wollten und die Jurys entgegen der aus grauen ESC-Zeiten bekannten Gepflogenheiten einen modernen, gut choreographierten Auftritt einer kraftvoll gesungenen Friedensballade vorzogen (wahrscheinlich kam das aus Russland in diesem Jahr auch als zu zynisch an). Wie dem auch sei, auch wenn der Songtext feinstes Phrasenbingo (wenn wir schon die Makel aufzählen) darstellt ist das in Kombination mit der Strichmännchenperformance derart passend und einprägsam, dass man sich wundert, ob die Punkteergebnisse zwischen Jury und Zuschauer nicht doch ausgetauscht worden. Zelmerlow schaffte einen Spagat, an dem viele scheiterten: Eine künstliche Performance mit Charme authentisch erscheinen zu lassen, diese Perfekt auf der Bühne zu interpretieren ohne seine Stimmkraft zu verlieren. Zyniker vermuteten hinter „Heroes“ ein Plagiat von David Guettas Hitsingle „Lovers on the Sun“, der zwar ähnlich beginnt, dann jedoch deutlich anders, vor allem mit typischen Synthieklängen funktioniert, vielleicht sollte man doch genauer hinhören und nicht nur auf die Performance achten.

Die Choreographie schlechthin führte Mans Zelmerlow zum Sieg

2. Abba – Waterloo (Schweden 1974)

Abba kamen als Außenseiter nach Brighton, wo man sich auf einen Sieg des erfolgreichen Countryschlagerduos Mouth & McNeal einstellte und Ersatzgastgeber Großbritannien (Luxemburg sagte eine erneute Austragung ab) den zukünftigen Weltstar Olivia Newton-John sendete. Nachdem man drei Jahre lang ein absolut unsinniges Abstimmungsverfahren durchführte, kehrte man zwei Tage vor dem Finale (!) zum damals bekannten Modus zurück, dass jedes Teilnehmerland zehn Juroren stellte, die ihrem Lieblingssong einen Punkt gaben. So kam es, dass Abba mit den relativ gesehen niedrigsten Punktanteil (15% der möglichen Punkte) abgesehen vom Vierfachsieg 1968 die Eurovisionskrone zum ersten Mal nach Schweden holten. Wenn man sich die Geschichte des Wettbewerbs anschaut, erscheint es wie ein abstruses Wunder, dass Abba den Sieg holen konnten, auch wenn ihr Sieg von einer peppigen Performance, gewagten Kostümen und einen fantastischen Song, der näher am Rock n Roll dran war, als alle Glam und Hard Rocker aus UK und den USA es zu der Zeit sein sollten, erzwungen wurde.

Schlicht legendär: Abbas „Waterloo“
  1. Celine Dion – Ne Partez Pas Sans Moi (Schweiz 1988)

Auch wenn Celine Dion nach der Trophäenübergabe 1989 nie wieder ein Wort über den Eurovision Song Contest verlieren sollte, sie bleibt die Königin dieses Wettbewerbs. Der Eurovisionsschlager „Ne Partez Pas Sans Moi“ beginnt als klassische Ballade um sich zum Refrain hin zu einem schmissigen Stück zu steigern, welches Dion mit ihrer engelsgleichen Stimme dominiert. Noch heute ist dieser Song für mich der Maßstab an eine gute dramatische Eurovisionsballade und man wundert sich nicht, die meistern scheitern gnadenlos, obschon der Zahn der Zeit mehr an „Ne Partez Pas Sans Moi“ genagt hat als an „Waterloo“ oder selbst „La Det Swinge“. Was sie mit den schwedischen Runner-Ups (und eigentlich auch mit den Bobbysocks) vereint ist die Tatsache, dass ihr Sieg alles andere als souverän war, was sicherlich auch an ihrem selbst für Achtzigerverhältnisse schreckliches Outfit lag. So konnte sie erst mit der letzten Wertung aus Jugosslawien am britischen Vertreter Scott Fitzgerald mit seiner – Es tut mir leid, ich kann es nicht galanter ausdrücken – schrecklichen Ballade „Go“ um einen Punkt vorbeiziehen. Fitzgerald erwies sich als fairer Verlierer und gratulierte Dion mit der Aussage, dass sie die bessere Sängerin gewesen sei.

Selbst ein für Achtzigerverhältnisse grässliches Outfit konnte sie stoppen: Celine Dion

Genug geschwafelt, Gegenmeinungen und Anmerkungen gerne in die Kommentare

2 Kommentare zu „Meine Top 20 ESC Gewinner

  1. Jetzt komme ich auch mal dazu, dir einen Kommentar zu den ESC-Siegern zu hinterlassen, das wäre ja enttäuschend, wenn nicht ^^
    Sehr viel Schweden-Bezug auch in deinen Top 20 und Mans sehr weit vorne, das würde jemand Bestimmtes aus der Bubble aber freuen 😉😂 Für mich ein toller Popsong, für viele andere das Hassbild des neuen „amerikanisierten“ Song Contest.
    2013 in der Liste finde ich auch sensationell, da haben wir viele Ähnlichkeiten.
    Jetzt müsste ich noch ausgleichend was zu älteren Gewinnern sagen, so richtig fällt mir dazu aber nichts ein, außer vllt, dass du mir wohl nicht umsonst die Celine-Dion-Alben empfohlen hast, als ich von epischen Balladen sprach 😂

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    1. Diejenigen, die „Heroes“ als Hassbild haben, wollen auch einen Grand Prix fernab des öffentlichen Interesses wie in den 90ern^^
      Celine Dion ist einfach die Königin epischer Balladen^^

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